21.05.2024 16:00 Uhr bis 21.05.2024

Bedarfe Jugend im Öffentlichen Raum aus Sicht von pädagogischen Fachkräften in der Stadt Potsdam

Konkret zur aktuellen Situation im Stadtteil Babelsberg

Mit Bedenken betrachten wir den aktuellen Umgang mit dem Thema “Junge Menschen im öffentlichen Raum” in Potsdam und speziell im Stadtteil Babelsberg. Aus diesem Grund möchten wir als SJR in Zusammenschluss mit anderen Akteur*innen der Jugendarbeit in Potsdam zur aktuellen Diskussion Stellung beziehen und eine pädagogische Haltung in den Diskurs einfließen lassen.

Eine wachsende Stadtgesellschaft 

“Der öffentliche Raum ist für eine Stadtgesellschaft elementar wichtig. Dabei hat es sich noch nie um ein harmonisches Idyll gehandelt, in dem alle genug Platz und nur sozial verträgliche Interaktionen miteinander haben. Menschen treffen aufeinander, die vielfach unterschiedliche Bedürfnisse und zum Teil gegensätzliche Interessen verfolgen. Der öffentliche Raum ist geprägt von solchen Konkurrenzen und Nutzungskonflikten.” [1]

Dieser Aushandlungsprozess, um eine Stadt für Alle zu führen, ist immer wieder notwendig.  Dieser ist herausfordernd, da dabei eine Vielzahl von Interessenkonflikten bearbeitet werden müssen. Vorab möchten wir betonen, dass wir uns für den aktuellen und alle kommenden Prozesse einen ergebnisoffenen Austausch wünschen, der Aspekte wie wachsende Stadt und Verengung der öffentlichen Räume im Blick hat und der die Interessen aller Beteiligten mit einbezieht und nicht einseitig versucht, Schuldzuweisungen zu unternehmen.

In der Vergangenheit gab es durch verschiedenste Akteur*innen Schuldzuweisungen an das Fanprojekt Babelsberg und an junge Menschen im Allgemeinen, die sich im öffentlichen Raum aufhalten. Von dieser Schuld zuweisenden Haltung wünschen wir uns Abstand zu nehmen, da dies für uns eine sehr verkürzte und wenig lösungsorientierte Haltung im Aushandlungsprozess um eine wachsende Stadt darstellt.  Beispielsweise wird dabei nicht mit einbezogen, dass es neben dem Fanprojekt Babelsberg, welches nur an zwei Tagen in der Woche ein offenes Angebot leisten kann, kaum bis keine weiteren Angebote im Stadtteil Babelsberg gibt, die die Bedarfe der Jugendlichen ausreichend decken würden.

Insgesamt wünschen wir uns vor allem von der Landeshauptstadt Potsdam mehr Verantwortungs- und Perspektivübernahme sowie mehr Unterstützung der Kinder- und Jugendarbeit in Babelsberg (und stadtweit).

Aktuelle Situation im Stadtteil Babelsberg 

Die am 20.02.2024 durchgeführte Ortsbegehung in Babelsberg wurde initiiert durch die Sozialbeigeordnete für Ordnung, Sicherheit, Soziales und Gesundheit Birgit Meier und besucht durch verschiedene Akteur*innen der Jugendarbeit, Stadtverwaltung, Polizei und Ordnungsamt. Das Treffen behandelte die aktuelle Situation in Babelsberg und Jugendliche im öffentlichen Raum und verdeutlichte uns, dass wir eine pädagogische Perspektive stärken und dafür weiter sensibilisieren wollen. 

“Der öffentliche Raum ist vor allem auch aus pädagogischer Perspektive für junge Menschen lebensnotwendig. Für sie und ihre Entwicklung ist der öffentliche Raum ein wichtiger Sozialisationsort. Ganz grundlegend sind junge Menschen und ihre Bedarfe Teil der Stadtgesellschaft und sie haben die Berechtigung, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Doch Anspruch und Wirklichkeit gehen hier weit auseinander.” [1] 

Unsere Bedenken und Forderungen

Mit einigen Bedenken betrachten wir die verstärkten Kontrollen durch das Ordnungsamt und die geplante Erhöhung der Polizeipräsenz in Abend- und Nachtstunden als ein Fazit aus der Ortsbegehung, die aus unserer Sicht kein nachhaltiger Weg zu einer entspannten Situation in Babelsberg oder auch der Innenstadt führen wird.

Wir fordern einen gesamtstädtischen Prozess, denn die Themen Jugendliche im öffentlichen Raum und fehlende jugendkulturelle Freiräume sind stadtweite Themen, welche sich auch nur stadtweit klären lassen. Darüber hinaus ist es pädagogisch unerlässlich, dass ein initiierter Prozess partizipativ gestaltet wird. Bisher sehen wir eine Schieflage im partizipativen Anspruch, da aktuell weder Jugendliche im Aushandlungsprozess selbst beteiligt sind, noch ihre Bedarfe konkret bzw. nur durch Interessenvertreter*innen aus der Jugendarbeit dargelegt wurden. 

In der Vergangenheit viel besprochene und auch bei der Begehung festgehaltene Lösungsvorschläge begrüßen wir sehr. Dazu gehört die Schaffung von temporären oder permanenten kostenlosen Toiletten bzw. eine Kooperation mit den ansässigen Gewerbetreibenden zur Nutzung ihrer Toiletten für die Öffentlichkeit. “Die nette Toilette” wäre da bspw. eine denkbare und in vielen Kommunen funktionierende Lösung. Den angedachten Ausbau von Angeboten für Kinder und Jugendliche (Stellenaufwuchs), sowie die Schaffung von mehr legalen Graffiti-Flächen, begrüßen wir. Darüber hinaus wünschen wir uns kreative Ideenentwicklungen zur Schaffung von neuen jugendkulturellen Freiräumen in Babelsberg und stadtweit.

Diese Punkte sind aus unserer Sicht zentrale und sehr konkrete Aspekte zur Entspannung der aktuellen Situation, welche sich in den Sommermonaten weiter verschärfen wird. Es ist und bleibt wichtig, gemeinsam und partizipativ an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten. Es ist aber dabei unerlässlich, dass Politik und Stadtverwaltung solche Ideen voranbringen und umsetzen.

Als letzten Punkt wollen wir auf die Broschüre “Shrinking Spaces - Schrumpfende Räume für die Zivilgesellschaft” [2] hinweisen, welche weitere zentrale Aspekte zum Thema Jugend im öffentlichen Raum aufgreift und intensiv bespricht. Um sich auch aus fachlich-pädagogischer Perspektive der hier in Positionspapier besprochenen Thematik anzunähern, können wir ein rein- und nachlesen in der Broschüre sehr empfehlen.

Quellen

[1]  Positionspapier (Junge Menschen im öffentlichen Raum - Ein Positionspapier von Fachkräften der Potsdamer Kinder- und Jugendarbeit, 2018 von Mitgliedern der AG Jugend im Öffentlichen Raum)


[2] “Shrinking Spaces - Schrumpfende Räume für die Zivilgesellschaft”